Drei Wochen lang besuchte die junge Deutschlehrerin Han Zhang aus Jinan, einer Provinz im Nordosten Chinas, das Berufskolleg Werther Brücke und die bergische Region. Hier resümiert sie ihre Erfahrungen über den pädagogischen Austausch.
Schöne Zeit vergeht immer schnell. Vor drei Wochen bin ich als Deutschlehrerin aus China an einer deutschen Schule gelandet. Der Pädagogische Austauschdienst bot mir durch ein dreiwöchige Hospitationsprogramm die Chance, das deutsche Schulwesen kennen zu lernen, meine Sprachfertigkeit zu verbessern, und das landeskundliche Wissen über Deutschland zu vertiefen.
Während des Aufenthalts in Wuppertal vom 6. November bis zum 26. November 2011 besuchte ich hauptsächlich das Berufskolleg Werther Brücke, aber auch ein paar andere Schulen: eine Grundschule in Elberfeld, eine in Köln, die VHS in Schwelm und die Gesamtschule Barmen. Ich habe nicht nur Deutschunterricht, sondern auch umfangreiche Unterrichtsstunden von Fremdsprachen (Englisch und Französisch), Mathematik, Metalltechnik, Betriebswirtschaftslehre bis hin zu Geschichte und Literatur erlebt und beobachtet. Neue Lehrmethoden, z.B. das Schreibgespräch, sind mir bekannt geworden. Hierfür danke ich den Schulleitern und den Hospitationskollegen der beteiligten Schulen nochmals recht herzlich.
Das deutsche Schulsystem ist ganz anders als das chinesische. Nordrhein-Westfalen besitzt trotz der Reform auch noch eine „vertikale Differenzierung“, das heißt unterschiedlich begabte Kinder werden auf unterschiedliche Schulformen, wie Gymnasium, Realschule oder Hauptschule, aufgeteilt. Aber die Eltern haben heute eine andere Wahl: Gesamtschule. Hier können alle Kinder, wie bei uns in China, die für ihr Alter vorgesehene Schulstufe gemeinsam besuchen. In China gibt es eine neunjährige Schulpflicht, bestehend aus sechs Jahren Grundschule und drei Jahren Unterstufe der Mittelschule. Nachdem die Schüler ihre Schulpflicht erfüllt haben, können sie entweder an die Oberstufe der Mittelschule (Klassenstufe 10-12) gehen, oder sich für eine Berufsausbildung entscheiden.
Die Arbeitsorganisation an einer deutschen Schule ist ganz anders als in meiner Heimat: Alle Lehrer/innen am deutschen Berufskolleg haben pro Woche 25 Stunden Unterricht, die an der Grundschule noch mehr. Jeder unterrichtet mindestens zwei Fächer und muss mit Sack und Pack von Stunde zu Stunde in ein anderes Klassenzimmer hetzen. Als Lehrerin unterrichte ich in China wöchentlich nur zehn Stunden Deutsch, trotzdem muss ich bis 17 Uhr an der Schule bleiben. In diesem Zeitraum werden alle Unterrichtsvorbereitungen und Korrekturarbeit erledigt, während die deutschen Lehrer diese Arbeiten in der Regel zu Hause erledigen. Lehrer an unserer Schule werden nach Fächern in verschiedene Lehrerzimmer geteilt, und jeder hat einen eigenen PC auf seinem Arbeitstisch. Auch das ist ein Unterschied zu den meisten deutschen Schulen. Dennoch finde ich die Flexibilisierung der Arbeitszeit an den deutschen Schulen sehr praktisch. Was ich noch besonders schön finde, ist die lockere Atmosphäre im Unterricht. Obwohl die Schüler ja unterschiedliche Bildungshintergründe haben und ganz verschieden sind, kann jeder einzelne immer den gestellten Fragen und dem Unterrichtsthema folgen. Die gute Disziplin in einer chinesischen Klasse mit 50 Schülern wundert viele deutsche Kollegen. Aber Schweigen ist nicht immer Gold. Auch wenn die Schüler sehr diszipliniert wirken, bedeutet das nicht, dass sie sich auf den Unterricht konzentrieren.
In den gut drei Wochen wurde ich auch von den Schülern im Unterricht ausgefragt. Sie zeigten großes Interesse an China, und stellten vielfältige Fragen an mich und über mein Heimatland. Ebenso neugierig sind die Kollegen. Aber Sehen ist hundertmal besser als Hören. Ich hoffe, dass ich bald auch deutsche Schüler und Kollegen in China willkommen heißen kann. Ich bin auch gespannt, inwieweit ich die in Deutschland gesammelten Erfahrungen in meinen Unterricht an der Heimatschule einbringen kann. Ich möchte gerne erproben, neue Lehrmethoden im Unterricht einzusetzen, und Schüler dazu anleiten, ihre eigene Meinung frei zu äußern und über den Unterricht, ihr eigenes Verhalten und das Verhalten anderer Schüler zu reflektieren. (ram)